"Ich laß’ es von fern locken, werde mich wohl hüten, hinüberzugehen […] Ich gehe weiter ohne bestimmte Richtung..." Franz Hessel

Tuesday 20 May 2014

"(Andreas) Schlüter war viel zu groß für Berlin".

Britta Huegel


Manchmal, wenn ich die Elbe vermisse, und der Landwehrkanal gar zu träge über sein Steinbett quillt, suche ich meinen Lieblingsplatz am Ufer des Monbijouparks auf - hänge im türkisen Liegestuhl, schaue in den blauen Himmel und auf die nahe Monbijoubrücke, die mir zusammen mit den glitzernden Wellen der Spree unter Platanenschatten vorgaukeln möchte, ich sei in Paris. Aber das braucht es gar nicht: die Kuppel des gewaltigen Bode-Museums, durch das die S-Bahn hindurch zu fahren scheint, ist in Berlin, und das ist gut so!
Nur wenige wissen, dass Kaiser Wilhelm II. seinen Architekten Ernst von Ihne beauftragte, das Bode-Museum in "schlüterschen Formen" zu gestalten.
Heute leuchtet mir das große rote Plakat "Schloss Bau Meister Andreas Schlüter und das barocke Berlin' entgegen.
                Andreas Schlüter hat man lange Zeit völlig ignoriert. (1964 gab es eine einzige Ausstellung). Das ist eine kleine Lektion für jeden, der wie ich manchmal darüber nachsinnt, wie man denn endlich "berühmt" werden könne. Natürlich wissen wir - und erst recht das Barock, und da nicht nur Andreas Gryphius: alles ist eitel: "Vanitasvanitatumet omnia vanitas" - und Ruhm zerplatzt  wie die Seifenblasen, die ein Knabe am Fuß des Sarkophags von König Friedrich I. bläst (diese Skulptur von Schlüter steht im Berliner Dom).
                 Man weiß also wenig über Schlüter, was die FAZ als "Traum jedes Kunsthistorikers" bezeichnet: "Er spricht allein durch sein Werk." Kaum Lebensdaten (die einzige Biographie erschien 1935): geboren, so die Berliner Zeitung, um 1650 in Danzig unter polnischer Krone, "vielleicht aber auch in der freien Hansestadt Hamburg", keine Notizen. Friedrich I. holte ihn vom Hof Jan III Sobieskis in Warschau, wo er "für polnische Magnaten und Klöster arbeitete". Polens Kunst hatte internationalen Standard: der 'barocke Rausch' in Vilnius oder Krakaus Kirchen, Tilman von Gamerans Bauten in Warschau belegen das. Warum, so fragt Nikolaus Bernau von der Berliner Zeitung, gibt es nicht auch einige Fotos oder Skulpturabgüsse aus Polen in der Ausstellung? "Und so wird wieder einmal der kulturelle Maßstab, vor dem Brandenburg-Preußen agierte, historisch ziemlich unkorrekt nur im Westen gesucht."
Man weiß nicht nur wenig von Schlüter - es sind auch nur noch wenige Bauten erhalten: in preußischer Zeit wurde das Gießhaus am Kupfergraben, der Pontonhof Unter den Linden, und die Alte Post am Spreeufer abgerissen. Im Zweiten Weltkrieg fiel die Villa Kameke den Bomben zum Opfer. "Und schließlich", so natürlich die FAZ, "wurde Schlüters Hauptwerk, das Schloss der Hohenzollern, von Stalins Satrapen gesprengt."
Aber selbst wenn man nur feststellt, dass das Stadtschloss 1950 von der DDR gesprengt wurde, und sich die Gründe dafür anschaut -  ein Hammer bleibt das schon!
"Aber die Mitte der Hauptstadt erhält das Bauwerk zurück, das ihr städtebaulicher Dreh- und Angelpunkt war.", schreibt Die Welt. Und: "Ohne den Wiederaufbau des Berliner Schlosses gäbe es diese Ausstellung nicht." 
Kurfürst Friedrich III., der "schiefe Fritz", wie ihn das Volk wegen einer Schulterverkrümmung nannte, wollte unbedingt König werden, und wie das bei vielen kleinen Männern so ist: er wurde es: 1701 krönte er sich selbst zum König Friedrich I. - König "in Preußen". Seit seinem Regierungsantritt 1688 bewunderte er die hochbarocke Pracht von Paris und Rom, und wusste, dass die "bescheidene Residenzstadt Berlin" (Welt) nur mit Hilfe von Politik und Kunst aufgewertet werden konnte. Sein Baumeister Schlüter hatte Frankreich, die Niederlande und Italien bereist - und das Berliner Schloss wurde ein "barocker Kubus nach dem Vorbild italienischer Palazzi". (Welt) Das Schloss, so die FAZ, ist die Antwort auf Berninis Entwurf des Louvre und Michelangelos römische Paläste.  Was Schlüter begann, hat Eosander vollendet.
Misserfolge bleiben oft länger im Gedächtnis der Menschen: König Friedrich entließ "Scluter, den Schelm, der den Turm so verdorben gebauet." Der auf 100 Meter Höhe geplante Münzturm stand (nicht lange) auf Sand und Sumpf, auch sonst sorgte der märkische Sand für tiefe Risse in der Sommerresidenz des Königs, und überhaupt wurde vieles nicht termingerecht fertig. "...offenbar eine Berliner Eigenart seitdem", bemerkt Jürgen Gressel-Hichert im kulturradio_online. (Falls der geneigte Leser an dieser Stelle nicht schon eingenickt ist, hier eine kleine Frage: Was meint er wohl damit??)
So ging Schlüter dann 1713 an den Hof von Zar Peter, um am Aufbau von St. Petersburg mitzuwirken - starb aber dann schon im Juni 1714 - vor 300 Jahren.
Als kurios vermerkt Gressel-Hichert: Das Bernsteinzimmer, Schlüters Entwurf, wird Zar Peter 1719 geschenkt und wird ein Glanzstück in St. Petersburg.





Die Ausstellung "Schloss Bau Meister Andreas Schlüter und das barocke Berlin" ist bis zum 13.07.2014 im Bode-Museum zu besichtigen
http://www.museumsportal-berlin.de/ausstellungen/schloss-bau-meister-andreas-schluter-und-das-barocke-berlin/

Literatur über die Ausstellung:
- Die Welt, Rainer Haubrich über "Andreas Schlüter, Baumeister der Sinnenfreude" http://www.welt.de/kultur/kunst-und-architektur/article126531750/Andreas-Schlueter-Baumeister-der-Sinnenfreude.html
- Berliner Zeitung, Nikolaus Bernau: "Wer kannte Schlüter?" (von ihm habe ich auch das Zitat für meine Überschrift gewählt)
http://www.berliner-zeitung.de/kultur/andreas-schlueter-im-bode-museum-wer-kannte-schlueter-,10809150,26734226.html
- FAZ, Andreas Kilb: "Eine Weltordnung mit Waage und Keule"  http://www.faz.net/aktuell/feuilleton/kunst/ausstellung-in-berlin-schloss-bau-meister-andreas-schlueter-12878866.html










2 comments:

  1. Hi Britta,
    Our son, daughter-in-law and grandson had just returned from Berlin. They had a wonderful time. Our son, Daniel, studied Music and German at University and part of his degree was to live in Germany for a year. He chose to stay in Magdeberg and, when we visited him, we also visited Berlin which we LOVED !! XXXX

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  2. Dear Jackie,
    your son has chosen a wonderful combination of studies! And with a family I would always prefer to live in a smaller town - the Otto-von-Guericke-Universität is well-known. Hope they enjoyed that year! And whenever you come to Berlin again, we should at least meet for a coffee!

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